Wunderwaffen im zweiten Weltkrieg #1 Aggregat 4

In meinem ersten Artikel in dieser Serie schreibe ich über eine interessante technische Entwicklung der Deutschen, die Anfang der 1930er in der Heeresversuchsanstalt in Kummersdorf begann und am Ende die Amerikaner auf den Mond brachte. Aber immer der Reihe nach.

Der Raketenmann

Werner von Braun, der sich seit seiner Kindheit für Naturwissenschaften interessierte, experimentierte bereits in seiner Jugend mit Feuerwerksraketen und beschäftigte sich mit der Zeit immer tiefgründiger mit der Möglichkeit, Raketen zu bauen, die tatsächlich ins All fliegen können. Inspiriert von Scince-Fiktion-Romanen und Fachbüchern, wurde aus dem einfachem Interesse an dem Thema, der Wunsch, auch beruflich in das Gebiet einzutauchen. Nach dem Maschinenbaustudium begann er 1932 ein Physik-Studium in Berlin.

Das Thema Raketenbau war auch ein Sondergebiet des Heereswaffenamtes in Berlin und dort wurde Braun als Zivilangestellter aufgenommen. In der Heeresversuchsanstalt Kummersdorf begann er seine Experimente an Flüssigkeitstriebwerken für Raketen. In der Zeit von 1934 bis Ende 1935 wurden diverse Test an Versuchsraketen sowie an Raketentriebwerken für Flugzeuge gearbeitet.

Peenemünde

Kummersdorf wurde für die immer größeren Raketen zu klein und man wich auf die Insel Usedom aus, wo man eine ausreichend große Testfläche zur Verfügung hatte. Hier wurde die Heeresversuchsanstalt Peenemünde, unter der Leitung Brauns, gegründet. Im Laufe der Jahre baute man den Stützpunkt immer weiter aus. Es entstand ein ausgedehntes Straßen- und Schienennetz, mehrere Häfen sowie zahlreiche Prüfstände.

Werner von Braun

Klare Vorstellungen

Bereits 1936 wurde das Anforderungsprofil aus dem Heereswaffenamt klar: Eine ballistische Artillerie-Rakete mit einer Tonne Sprengstoff und einer Reichweite von 250 Km.

Die Ergebnisse der bisher getesteten Raketen, Aggregat 1 bis 3, waren insgesamt nicht zufriedenstellend. Erst das Aggregat 5, welches als Versuchsträger für das geplante Aggregat 4, 1939 getestet wurde, war erfolgsversprechend.

Aufbau Aggregat 4

Nachdem man mit dem Aggregat 5 erfolgsversprechende Test durchlaufen hatte, konzentrierte man sich voll auf die Realisierung des Aggregats vier. Diese Rakete hatte die richtige Größe, um die geforderte Menge an Sprengstoff aufnehmen zu können und gleichzeitig die richtige Menge Treibstoff und Steuerungs-Equipment zu befördern.

Schnittmodell des Aggregat 4

Steuerung

Zuständig für die Stabilisierung der Rakete war beim Start das Strahlruder, welches direkten Einfluss auf den Gasstrom hatte und das Luftruder am Leitwerk, welches erst bei höheren Geschwindigkeiten wirkte. Gesteuert wurden diese über Servomotoren.

Durch das Zusammenspiel von zwei Gyroskopen, gekoppelt an einem Analogrechner, der die von den Gyroskopen registrierten Abweichungen der Quer- und Seitenachse direkt an die Ruder zur Kurskorrektur weitergab, konnte man so festgelegte Kurse mittels Trägheitsnavigation realisieren.

Eine eingebaute Zeitschaltuhr sorgte dafür, dass die Rakete von der senkrechten Position in eine geneigte Flugbahn wechselte. Ein Integrationsgerät ermittelte die Geschwindigkeit und schaltete, je nach gewünschter Reichweite, das Triebwerk rechtzeitig ab.

Antrieb

Angetrieben wurde die Rakete aus einem Gemisch aus Ethanol und flüssigem Sauerstoff. Unter hohem Druck beförderte eine Pumpe die Chemikalien mittels Einspritzdüsen in den Raketenofen.

Sprengstoff

In der Raketenspitze befanden sich 738 Kg Sprengstoff aus einer Amatol-Mischung. Da reines TNT zu teuer war, wurde es mit Ammoniumnitrat gestreckt. Hervorzuheben war der leichte und relativ ungefährliche Umgang mit dem Gemisch. Es war weitgehend unempfindlich gegen Stoß, Wärme und Kälte. Bedenkt man, dass die Kompressionswärme beim Flug die Verkleidung aufheizte, war die Wahl von Amatol gegenüber reinem TNT sogar vorteilhaft.

Erste erfolgreiche Test des Aggregat 4

Von 1942 bis 1945 wurden etliche Tests durchgeführt. Durch Bombenangriffe der Briten am 17.08.1943 musste man seine Erprobungen zunächst nach Blizna in Polen, außerhalb der Reichweite der Bomber, verlegen. Durch die näherrückendende Rote Armee später nach Westpreußen in die Tuchler Heide.

  • 03.10.1942: Erster erfolgreicher Großraketenstart der Menschheitsgeschichte. Gipfelhöhe 84,5 km bei 4.824 km/h
  • 26.05.1943: Längste Flugzeit von 349 Sekunden
  • Juni 1944: Erster menschengemachter Gegenstand im Weltraum. Gipfelhöhe 174,6 km

Fertigung

Am Bau des Aggregat 4 waren anfänglich etliche Firmen und Zulieferer an unterschiedlichsten Standorten in Deutschland und Österreich beteiligt. Ohne den massenhaften Einsatz von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen aus den unterschiedlichsten Lagern und mit gewissen Fähigkeiten in der Fertigung, wäre die Aufrechterhaltung der Produktion, gerade zum Ende des Krieges, kaum möglich gewesen.

Durch ständige Bombardierung der Alliierten, verlegte man die Produktion 1944 schließlich in die Stollenanlage im Krohnstein nahe Nordhausen. Auch hier wurde unter menschenunwürdigen Bedingungen Zwangsarbeiter herangezogen; diesmal aus dem KZ Mittelbau-Dora.

Einsatz des Aggregat 4

Nachdem die Luftschlacht um England für Deutschland verloren war, jedoch spätestens mit Beginn der Bombardents der Briten auf deutsche Städte, versprach man sich von neuartigen Fernwaffen die Möglichkeit, England doch noch gezielt anzugreifen.

Trotz anfänglicher Euphorie über das Aggregat 4 ab September 1944, blieben die kriegsentscheidenden Erfolge jedoch aus. Es wurden etliche Angriffe auf England, Frankreich, Belgien und Niederlande durchgeführt. Diese reichten dabei nicht aus. Die Treffungenauigkeit tat ihr übriges.

In der Propaganda wurde der Glauben an einen Endsieg durch den Namen „Vergeltungswaffe 2“, so nannte Sie Propagandaminister Goebbels, weiter geschürt.

Karte der von der V2 getroffenen Ziele im zweiten Weltkrieg

Von verschiedenen Standorten in den Niederlanden und Frankreich führe man die Raketenstarts meist von mobilen Rampen aus durch. Angefangene Bunkerbefestigungen in Frankreich, die Vorläufer von modernen Raketensilos, wurden durch den Angriff der Alliierten aufgegeben und nie fertig gestellt.

Opfer

Alleine etwa 20.000 Häftlinge starben im Lager Mittelbau-Dora, während etwa 8.000 Menschen bei dem Einsatz der Waffe ihr Leben verloren. Somit sind mehr Häftlinge bei der Produktion der Waffe ums Leben gekommen, als bei ihrem Einsatz.

Durchschnittlich musste ein Häftling bis zu 12 Stunden pro Tag und 7 Tage die Woche arbeiten. Regelungen, die einem nach einer gewissen Zeit einen freien Tag einräumten, ignorierte man in der Regel. Gerade in den Stollen herrschte Sauerstoffmangel und Kälte, weshalb überdurchschnittlich viele Häftlinge an Lungenentzündung starben. Hinzu kamen Schikanen und wahllose Bestrafungen durch das Wachpersonal.

Deutsche Weiterentwicklungen des Aggregat 4

Weiterentwicklungen des Aggregat 4 und Neukonstruktionen kamen wegen des nahen Kriegsendes nie zum Einsatz oder waren lediglich nur im Planungsstadium.

Aggregat 4b: Eine geflügelte Version der A4. Sie sollte die doppelte Reichweite haben. Ein Testflug brach man wegen eines Flügelbruchs vorzeitig ab.

Amerika-Rakete: Die Idee einer Interkontinental-Rakete kam erstmals 1943 auf. Um die Reichweite zu erhöhen, dachte man über eine zweistufige Rakete nach.

Aggregat 4b

Verwendung nach dem Krieg

Die Siegermächte, allen voran die USA und die Sowjetunion, zeigten Interesse an der deutschen Raketentechnik.

Der Sputnik-Schock

Die Sowjetunion wollte die A4 rekonstruieren und warb daher einige Verantwortliche deutsche Wissenschaftler an. Wichtiger Baustein war die Übernahme des KZ Mittelbau-Dora, wo noch bis Kriegsende die A4 gebaut wurde. Im September 1945 arbeiteten mehr als 5.000 deutsche und 700 sowjetische Mitarbeiter an der Widerherstellung der Konstruktionsunterlagen. Ziel war es, die Produktion und Testung der A4 wiederaufzunehmen. Eine Umsiedlung der Forschung inklusive Mitarbeiter in die Sowjetunion fand ab Oktober 1946 statt. Aus den Arbeiten mit der A4 wurden eigene Raketen entworfen und getestet. Der erste Höhepunkt der sowjetischen Entwicklung war die Verwendung einer R-7 Interkontinentalrakete, die den Satelliten Sputnik 1 erfolgreich ins All schoss. Für die Amerikaner war dies unerwartet, da man der Meinung war, ein Agrar- und Bauernstaat, wie die Sowjetunion, wäre zu solchen Ingenieurs-Leistungen nicht im stande.

Raketenmann die Zweite

Werner von Braun und etliche Mitarbeiter seines Stabs stellten sich am 02.05.1945 den US-Streitkräften. Diese hatten sich im Rahmen der Operation Paperclip dazu entschlossen, deutsche Wissenschaftler und Ingenieure nach Kriegsende abzuwerben, um von den Forschungsergebnissen für eigene Projekte zu profitieren. Bevor die Rote Armee das KZ Mittelbau-Dora besetzten, erbeuteten die Amerikaner etwa 100 Raketen und weitere Teile. Diese verschiffte man zu Forschungszwecken in die USA. Von Braun und etliche Mitarbeiter folgten später.

In den ersten Jahren in den USA sah sich von Braun mit unproduktiven Teilstreitkräften, Budgetkürzungen und Geheimhaltungen konfrontiert. Erst nachdem er auch in der Öffentlichkeit für die bemannte Raumfahrt warb, wurde das Interesse der Amerikaner geweckt. Spätestens nach dem Sputnik-Schock sah man ein, dass nicht nur mehr Budget, sondern auch eine eigene –nichtmilitärische- Organisation erforderlich war; die NASA wurde gegründet.

Durch stetige Forschung und Entwicklung und den unbedingten Willen die Sowjets zu übertrumpfen, wurde mit einer Saturn 5 Rakete der erste Mensch zum Mond gebracht.

Das Aggregat 4 aus Klemmbausteinen

STARTRAMPE MIT MEILLERWAGEN UND HANOMAG



Steine: 965
Kundenbewertung: Bisher Keine
Durchschnittlicher Preis: 30,00 €

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